Campo Grande

 

Da wir um 21.00 Uhr schon im Bett liegen, können wir auch gleich um 5.00 aufstehen – wir haben viel vor in Campo Grande. Unsere erste Station die Tourismus Information – hier wollen wir uns nach dem Doppeldeckerbus erkundigen und außerdem fragen, ob man womöglich eine Empfehlung für eine Veterinaria und einen Zahnarzt hat. Tja, das Büro öffnet erst am Nachmittag, aber ein freundlicher Herr nimmt sein Handy und wir googeln mal die Tierärzte der Umgebung – gleich ums Eck befindet sich eine Veterinaria. Das Außenfoto sind gut aus – die nehmen wir. Bei den Zahnkliniken ist es etwas schwieriger, empfehlen kann er nichts, aber eine große Klinik befindet sich in der Nähe. Haimo möchte unbedingt den Tierarzt vorher machen – also gut, dann ist zuerst Gizmo dran.

 

Wir fahren vor bei der „Veterinaria Bandeirante“. Wir glauben schon fast, es ist geschlossen, aber nein, ein Herr öffnet und ja, wir könnten gleich hereinkommen. Wir holen Gizmo und atmen alle drei mal durch – hier läuft eine Klimaanlage. Insgeheim hoffe ich, der Doktor lässt sich viel Zeit. Dr. José Joque Leite tut genau das – er untersucht Gizmo sehr gründlich. Er spricht zum Glück Spanisch – und zwar wirklich – und das freundlicherweise sehr langsam und deutlich, dass ich ihn gut verstehen kann. Zuerst werden Gizmo´s Ohren gereinigt – tatsächlich – Parasitenbefall. Danach kommt der Oberschenkel dran. José meint, er würde das kleine Geschwür auf jeden Fall entfernen – das ist gut – das wollen wir auch. Gizmo ist wie immer total brav und lässt sich sowohl die Ohrenreinigung als auch den chirurgischen Eingriff gefallen. Der zweite Tierarzt – Josés Frau Silmar kommt vorbei und hilft mit. Danach besprechen wir die weitere Vorgehensweise. Wir bitten die beiden, eine Histologie für das Geschwür anzufordern und außerdem würden wir gerne einen Leishmaniose Test von Gizmo haben. José empfiehlt, dass wir dann gleich ein großes Blutbild machen sollten, um zu sehen, ob sonst noch was im Argen ist. Passt – so machen wir das. Außerdem hätte Gizmo ja geschwollene Lymphe am Hals, das würde ihm auch nicht gefallen. Wir erzählen den beiden unsere Strand Geschichte und dass Gizmo eine Infektion am Hals hatte. José möchte die Medikamente sehen und schüttelt den Kopf. Das Antibiotikum wäre ja ok, aber Gizmo hat Kortison bekommen – wie Kortison? Ach du meine Güte, das war das vom anderen Arzt als „Antiallergikum“ bezeichnete Mittel, wir haben das gar nicht kontrolliert – stimmt, es ist ein Kortison. Und außerdem bemängelt er den Einsatz von Wasserstoffperoxid für Gizmo´s Hals als Schwachsinn, da Betaisadona besser gewesen wäre. Hier können wir nur zustimmen und erzählen ihm, dass erst mit Absetzen vom Wasserstoffperoxid und Verwendung von Betaisadona Gizmo´s Wunden richtig verheilen. Er gibt uns nochmals eine große Flasche Betaisadona und meint, die Entzündung wäre nach wie vor da, wir sollten weiter machen mit dem Spülen. Dann haben wir also das richtige Gefühl gehabt – auch mit dem Absetzten von den „Allergietabletten“. Ich frage Silmar, ob sie denn einen guten Zahnarzt kennen würden, denn eine Empfehlung wäre uns schon recht. Silmar meint, schräg gegenüber hätte eine Praxis aufgemacht, sie selbst war noch nicht dort, aber man hört Gutes.

 

 

Silmar und José bieten an, dass wir doch rüber in die Zahnklinik gehen sollten und sie würden derweil auf Gizmo aufpassen – der liegt ohnehin etwas k.o. in der Ecke. Unter anderen Umständen würden wir das Angebot ablehnen, aber es ist derartig heiß, das Zebra steht in der prallen Sonne und im Inneren hat es sicher über 50 Grad. Wir verabschieden uns von ihm und erklären ihm, dass wir bald wieder kommen und lassen ihn schweren Herzens hier.

 

In der Zahnpraxis um die Ecke spricht man natürlich auch kein Englisch. Ich versuche der Dame am Empfang die Lage zu erklären. Wenig später sind wir dran. Die beiden Ärztinnen schätzen wir vom Aussehen auf Mitte Zwanzig. In ihren pinken Dressen mit den extremen Wimpern- und Nagelverlängerungen wirken sie eher wie Kosmetikerinnen. Wir sind etwas irritiert – vielleicht sind es doch noch nicht die Ärzte. Doch, sind sie – verdammte Vorurteile. Eine der beiden schaut sich die Sache an, die zweite öffnet am PC ein Übersetzungsprogramm, damit wir uns verständigen können. Zuerst brauchen wir ein Röntgenbild. Dieses wird hier noch mit der Hand entwickelt und bei der Aufnahme verlässt die Ärztin den Raum nicht. Danach ist einmal klar, dass die alte Wurzel, auf der das Implantat aufgebaut ist, raus muss. Sie ist entzündet und laut Einschätzung der beiden Ärztinnen würde diese Entzündung auch nicht mit medikamentöser Behandlung in den Griff zu kriegen sein. Gut – hm. Wir bitten die beiden, ein Foto vom Röntgenbild machen zu dürfen, damit wir mit unserem Zahnarzt daheim kommunizieren können, dann würde wir gerne morgen wieder kommen. Kein Problem, die Damen sind total entspannt, wir sollten uns einfach melden. Wenn unser Arzt was anderes empfiehlt, würden sie gerne auch das Empfohlene machen bzw. wenn wir uns gegen sie entscheiden würden, dann könnten wir gerne das Röntgenbild mitnehmen. Wir bezahlen mal die 20 Reais für das Bild und marschieren retour zu Gizmo – der hat bereits die beiden Tierärzte um die kleine Kralle gewickelt. Wir diskutieren, wo wir bleiben sollten. Wir brauchen dringend einen Schatten für Gizmo und auch Haimo wird nach dem Eingriff Ruhe und vor allem kühlere Temperaturen brauchen. Silmar und José sind unglaublich, sie bieten uns an, bei ihnen im Haus zu wohnen. Wir sind sprachlos, wow, sooo nett! Aber das Problem ist mehr das Zebra – das hat auf ihrem Grund keinen Platz und wir möchten es sehr ungern auf der Straße stehen lassen.

 

Zuerst müssen wir mal zu einem Pet Shop – Gizmo verweigert das zuletzt teuer gekaufte Futter völlig. Wir dürfen Gizmo abermals hier lassen und machen uns auf den Weg. Der riesige Pet Shop Maranatha ist toll sortiert. Leider muss man das Futter erst aus einem anderen Lager holen – das würde eine Stunde dauern. Gut – was solls – die Temperatur ist ok. Wir bleiben. Man zeigt uns die Kaffeemaschine und den Wasserspender – so lässt es sich warten. Sowohl Inhaber als auch ein Mitarbeiter sind sehr am Zebra interessiert. Wir plaudern übers Reisen. Da Reginaldo mitbekommt, dass wir in den Pantanal fahren, legt er uns einen Besuch in Bonito ans Herz und versorgt uns mit Informationen und Empfehlungen. So vergeht die Stunde und wir bekommen Gizmo´s Futter und dampfen ab.

 

Zurück in der Klinik diskutieren wir weiter unsere Optionen. Die Campingplätze würden alle keinen Sinn machen, die sind zu weit draußen. Wir müssen in Wirklichkeit in der Stadt bleiben. Silmar hat eine Idee, sie fragt bei einem nahe gelegenen Hotel nach. Wir dürfen gegen den normalen Zimmerpreis am Parkplatz stehen. Sie packt uns in ihr Auto und wir fahren schnell mal rüber. Der Parkplatz ist ok und bewacht. Ich meine, wenn wir schon den Zimmer Preis zahlen müssen, dann werden wir es wohl auch benutzen. Aber wie üblich – Hunde sind verboten. Oh nein, das Zimmer hätte eine Klimaanlage. Es ist spartanisch eingerichtet und nichts, was zum Verweilen einlädt, das Bett duchgelegen – aber es hat eine Klimaanlage. Silmar erklärt der Dame an der Rezeption, dass in Europa Tiere schon in Hotels dürften. Und der Hund ist total brav und wäre sauber, sie wüsste das, sie wäre seine Tierärztin. Die Dame überlegt. Sie meint, wenn wir für den Hund 50 Reais extra zahlen, dann kann er mit. Wir sind happy – das ist natürlich die beste Option für uns. Um die Ecke von Tierklinik und Zahnarzt – perfekt. Silmar meint, wir sollen Gizmo einfach morgen wieder bringen, egal wann, wir könnten ihn tagsüber immer vorbeibringen, während wir Erledigungen hätten. Wir sind gerührt, die Leute kennen uns überhaupt nicht und helfen uns so derart. Die beiden hat uns in unserem Schlamassel wirklich der Himmel geschickt.

 

 

Am 1. November 2018 – wie passend – ist für Haimo´s Zahn der Tag der Tage gekommen. Wir fahren zuerst zur Veterinaria und geben Gizmo ab – der läuft schon los und sucht Silmar als wir ankommen. Weg ist er. Na gut, dann gehen wir. Draußen auf der Straße bleibt uns mal die Luft von der Hitze weg. Wir flüchten in die wohltemperierte Zahnpraxis. Die beiden Damen freuen sich und bedanken sich für unser Vertrauen. Haimo´s Zahnarzt hat nach checken der Fakten und Sichtung des Bildes die Meinung der Ärztinnen geteilt. Nun kommt er also raus, der Zahn. Nach ca. 1,5 Stunden ist es vollbracht – es war nicht unkompliziert aber es ist alles gut gegangen. Wir bekommen noch Rezepte mit und außerdem einen Brief für den nächsten Zahnarzt, denn die Fäden werden wir wohl in der nächsten Stadt ziehen lassen. Zurück bei Silmar und José setzen wir uns erstmal. Da Haimo noch etwas wackelig auf den Beinen ist bleibt er mal hier und ich laufe in die Apotheke. Zwei Apotheken später habe ich alles – inklusive Codein und Kortison – letzteres dürfte Standard bei so ziemlich allen Wehwechen in Brasilien sein. José schüttelt wieder den Kopf. In der Zwischenzeit zieht ein Unwetter auf. Gizmo verkriecht sich unter Josés Schreibtisch und wir bleiben erstmal sitzen – denn ein paar Sekunden später öffnen sich die Himmelsschleusen und es regnet was nur geht. Der Strom fällt auch noch aus und an der Vordertüre läuft Wasser rein.

 

 

Wir haben also viel Muße und reden über Gott und die Welt – natürlich kommt die aktuelle politische Lage auch zur Sprache – wie schon vermutet sind die beiden sozial engagierten Leute keine Anhänger der Rechten Szene – ganz im Gegenteil, sie finden die derzeitige Entwicklung als Besorgnis erregend. Es regnet und regnet, Silmar ist noch unterwegs. Ein paar Stromausfälle und einen Labradorpatienten später sind wir immer noch da – es regnet und regnet. Silmar kommt zurück – sie sieht Haimo´s dicke Backe und bringt eine Runde Eiscreme für alle. Die beiden Tierärzte besprechen sich kurz und laden uns dann zum Essen für morgen ein. Hier ist am 2. November Feiertag und die beiden möchten im Garten Grillen. Wir freuen uns sehr und vereinbaren, dass wir um 11.30 da sind.

 

Zurück im Hotel legen sich die lädierten Männer erstmal hin. Ich koche derweil eine Suppe und stelle sie in unseren uralten, aber gut funktionierenden Kühlschrank im Hotelzimmer kalt.

 

Am nächsten Tag schlafen wir erstmal aus. Haimo geht es schon ganz gut – die Nacht über hat das Schmerzmittel gewirkt. Mittags laufen wir pünktlich bei Silmar und José ein. Wie immer herrscht großes Hallo – zuerst wird wie üblich Gizmo begrüßt. Die beiden wohnen im westlichen Teil von Campo Grande in einem schönen Haus. Die Kinder sind alle ausgeflogen und sie haben es für sich. Wir sind begeistert vom Garten – genau das hätten wir wohl alle gerne – eine überdachte Party-Grill Zone mit Open-Air Küche dazu. Aber das macht natürlich bei unseren Temperaturen keinen Sinn. Auf dem Herd brodelt es in den Töpfen und es riecht schon sehr lecker. In der Folge sitzen wir ganze 13 Stunden zusammen, obwohl wir keiner die Sprache des anderen sprechen. Silmar spricht kein Spanisch, Haimo ja auch fast nicht, Lediglich José und ich haben einen kleinen Nenner gefunden – wir können uns dank seiner langsamen und schönen Aussprache auf Spanisch unterhalten. Wenn nichts mehr geht, muss die Übersetzungs-App herhalten. Wir haben viel Spaß, das Essen ist traumhaft gut – Fisch in allen Variationen. Frisch gemixte Fruchsäfte und es ist halt so – hier in Brasilien schmecken Früchte nach Sonne. Die beiden Leute sind einfach so unglaublich nette Menschen – wir genießen die gemeinsame Zeit in vollen Zügen.

 

 

Das Aufstehen am nächsten Morgen ist mühsam – wir hatten lediglich 5 Stunden Schlaf. Aber wir müssen los, heute wollen dringend ein paar Besorgungen machen. Der erste Stopp ist wieder die Tierklinik – wir geben Gizmo bei „Tante Silmar und Onkel José ab“. Wie üblich dampft er gleich ab – heute interessiert ihn der kleine Pitbull-Patient, der sich hinten im Gehege ausruht.

 

Wir verabschieden uns und treten unsere Kamera-Equipment Odyssee an. Am Ende des Tages wissen wir: es ist nicht möglich in einer großen Stadt wie Campo Grande (genauso wie in Rio) GoPro oder Canon Equipment zu bekomme. Kein einziger Händler hat Kameras oder Zubehör im Geschäft, man kann lediglich in den einzelnen Online Shops der Handelsketten bestellen. Das hilft uns nicht weiter, wir können nur hoffen, dass das der kleine Riss im GoPro Gehäuse hält und die Kamera in den Flüssen Bonitos nicht absäuft.

 

Im CD Laden eines großes Shopping Centers bitte ich noch einen Mitarbeiter mit mir ein Potpourri aus traditioneller und zeitgenössischer Musik auszusuchen. Ich möchte schöne Klassiker des Samba und auch das, was man hier momentan in den Charts findet.

 

Danach geht’s in die „Schraufer“-Straße – hier möchte Haimo ein paar Dinge besorgen fürs Zebra – unter anderem möchte er für die Eingangstüre und alle Serviceklappen Dachrinnen bauen, um bei Starkregen das Schlimmste abzuhalten.

 

Um 16.00 laufen wir wieder in der Veterinaria ein – der Tag war extrem heiß, wir fühlen uns wie „medium rare“ durchgebraten. Silmar päppelt uns mit Wasser und frischer Ananas auf. Wir plaudern dann noch etwas und verabschieden uns dann wieder Richtung Hotel. Wir müssen unbedingt heute und morgen den aktuellen Bericht für die Website fertig bekommen, solange wir das gute Wlan im Hotel nutzen können – und die Klimaanlage.

 

Der 4. November – mein Geburtstag – beginnt und endet genau so unspektakulär wie Haimo´s. Wir arbeiten den ganzen Tag am Bericht. Das Festmahl nehmen wir bei Subway um die Ecke ein.

 

Am 6. November ist es dann soweit – wir verlassen Campo Grande. Der Bericht für die Website ist hochgeladen, die Wäsche aus der Lavanderia geholt und für gut befunden. Als nächstes ist der Besuch in der Tierklinik angesagt. Hier bekommen wir von Silmar und José noch das Gesundheitszertifikat für Gizmo´s Grenzübertritt nach Bolivien als Abschiedsgeschenk mit. Die Verabschiedung ist traurig und tränenreich – wir hoffen wirklich inständig, dass die beiden bald einmal nach Europa kommen.

 

Danach geht’s los Richtung Pantanal

 


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