Ouro Preto

 

Am nächsten Morgen scheint die Sonne – vom Regen und Gewitter der Nacht keine Spur mehr – und der Lehmboden ist verblüffenderweise wieder hart.

 

An der MG 329 fahren wir weiter Richtung Mariana bzw. Ouro Preto.

 

Da wir für Gizmo einen guten Lagerplatz zum Freilaufen brauchen, fahren wir für die kommenden Tage unserer Besichtigung von Ouro Preto und das Gebiet rundherum einen täglichen Umweg Richtung Glaura. Der in dem Fall auf iOverlander gesehene Platz wäre perfekt – leider liegt hier eine tote Pferdefamilie – vermutlich seit einem Jahr. Man kann nicht mehr sagen, ob sie durch Menschenhand getötet worden sind oder ob es ein Blitzschlag war. Wir passen – diesen Platz wollen wir nicht nutzen – wir fahren etwas weiter und finden eine Bucht in der Straße – hierher kehren wir die kommenden Nächte zurück.

 

Mittlerweile sind wir auf 1.000 Höhenmetern und tatsächlich, es wird leichter – die Temperaturen werden moderater und unsere Nächte erholsamer.

 

Wir haben sehr erholsam geschlafen und als ich am nächsten Morgen in unserem „Keller“ Wasser entdecke, sind wir gleich noch wacher. Es wirkt jetzt nicht extrem tragisch – aber irgendwo muss es ja herkommen – die Möglichkeiten sind mannigfaltig vom undichten Tank bis Eindringen von außen. Am Abend müssen wir uns das genauer ansehen.

 

 

Jetzt fahren wir erstmal nach Ouro Preto und wollen uns in der Tourismus-Information beraten lassen. Einen Herrenrunde lehnt gemütlich am Eingang und beobachtet das Geschehen auf der Straße. Es scheint, keiner gehört hierhin. Wir treten ein und sehen uns um. Aha doch – einer fragt uns auf portugiesisch, was wir möchten. Natürlich kann er kein Englisch erzählt er uns mit stolzer Brust – hier spricht man Portugiesisch. Ja eh – für einen Ort, der vom Tourismus lebt eine völlige Überraschung, dass Touristen womöglich nicht aus dem eigenen Land kommen. Nachdem er seinen Stolz (hört sich besser an als Arroganz) etwas abgelegt hat versuchen wir es mit Händen und Füßen und ein paar Brocken Spanisch. Wir fragen, ob wir eine Mine besichtigen könnten in Ouro Preto und ob er eine empfehlen könne. Ja, wir müssten unbedingt die Mina de Veloso besuchen – eine alte Goldmine. Dort wird vor allem über die Geschichte und das Leid der Sklaven berichtet. Wir bedanken uns und ziehen zu Fuß los – das Zebra bleibt vor der Touristen Info stehen.

 

Der Weg zur Mine ist fast eine Bergwanderung durchs Ortsgebiet. Die bedeutendste Barockstadt Brasiliens und UNESCO Weltkulturerbe ist quasi in den Berg gebaut. Man findet hier extrem steile Gassen und schmal sind sie dazu – eine tolle Kombi bzw. Herausforderung für ein größeres Fahrzeug – so werden wir bald merken.

 

Angekommen bei der Mina de Veloso erleben wir die erste Überraschung: es gibt einen englischsprachigen Guide – nach seiner jetzigen Tour kommen wir dran. Wir tun es den Angestellten der Mine gleich und nutzen die Wartezeit zur Muße, setzen uns in den netten Innenhof und schauen uns um. Der neben mir sitzende Mann spricht mich auf Englisch an. Joao ist Archäologie Student und wurde vom Minenbesitzer kontaktiert. Er soll Fundstücke aus der Mine auf ihre Relevanz untersuchen. Von Joao erfahren wir auch, dass der Besitzer der Mine alles in Eigenregie stemmt – die Mine wird aus privaten Geldern erhalten . Hilfe von der UNESCO gäbe es nur für die schönen Barockbauten, aber nicht für die Geschichte der Sklaven. Er erzählt uns weiter, dass es in Ouro Preto 300 alte Minen gibt und alleine in der Nachbarschaft 47. Joao der gerade alte Arbeitsgeräte aus der Mine katalogisiert und untersucht möchte gerne hier bleiben und alle anderen Minen auch untersuchen.

 

Irgendwie landen wir auch beim Thema Politik und Joao legt uns nahe – beim Thema Politik aufzupassen. Die Anhänger des radikalen rechten Kandidaten wären nicht erfreut über Kritik – vielerorts hätte es schon handgreifliche Auseinandersetzungen bzw. Übergriffe auf Frauen, Schwarze und Homosexuelle gegeben. Oh – na Mahlzeit – ja verstanden, wir halten die Klappe.

 

So, jetzt ist unser Guide da – Daniel. Daniel ist schwarz und ca 1,90 m groß. Wie er selbst scherzt, ist diese Körpergröße wohl ein Fluch aus einem Vorleben, denn in den engen, niedrigen Gängen der Mine alles andere als hilfreich. Dennoch verschwindet er flink und gekonnt als erster im Eingang der Mine. Auch wir ducken uns. Im inneren der Mine beginnt Daniel die Geschichte der Sklaven zu erzählen und irgendwie hat man ein bisschen das Gefühl, er erzählt seine eigene. Als wir da so zuhören, was die Kolonialmächte hier in Brasilien angerichtet haben, so überkommt uns als Europäer wieder einmal dieses Fremd-Schäm-Gefühl. Die Portugiesen haben es doch tatsächlich geschafft, nur mit Hilfe von Schiffen an die 6 Millionen Menschen aus Afrika zu entführen und hier in den Minen schuften zu lassen. Die Sklaven aus Afrika hatten bereits durch die Zwangsarbeit in Ghana, Benin und Togo das Know How für die Minen-Arbeit. Daniel erklärt uns, dass man die Trennung von den Familien als Druckmittel einsetzte. Nicht nur, dass die Lebenserwartung durch die schwere Arbeit nur zwischen 7 und 12 Jahren lag in den Minen, die Männer hatten mit massiven Depressionen zu kämpfen: Arbeiten in der Dunkelheit und die Familie weit weg. Aus der Not heraus quasi entstanden die Gesänge der Schwarzen, um mit der Musik die Stimmung und den Lebenswillen zu heben. Daniel erzählt außerdem von seiner eigenen Geschichte, dass seine Mutter gestorben sei, als er 18 war. Auch er hätte es nur durch seinen Willen geschafft, auf der Straße Englisch gelernt, für einen Freund gearbeitet um Geld für die Uni zu sparen. Er meint, wäre er nicht so stark gewesen, würde er heute wahrscheinlich Drogen verkaufen.

 

Nach ca. einer Stunde atmen wir wieder frische Luft – sowohl das Dunkel als auch die Geschichten haben uns etwas aufs Gemüt geschlagen – und wir waren da nur eine Stunde im Berg.

 

Heutzutage sind alle Minen in Ouro Preto geschlossen, aber immer noch werden täglich ca. 2 kg. Gold aus dem Fluss gewaschen.

 

 

Den Nachmittag verbringen wir mit einer Rundfahrt durch die Stadt und der Besichtigung der ersten 3 Weltkulturerbe Kirchen. Wie befürchtet ist die Fahrt im LKW durch die engen, steilen Kopfsteinpflaster Gassen ein spezielles Erlebnis. Erst wollten wir ja nicht, aber der Mitarbeiter der Touristen-Information hat uns fast gedrängt – natürlich sollten wir – es wäre nicht verboten mit einem größeren Auto durchzufahren – die Lieferanten würden ja auch alle mit den LKWs fahren. Pff – ja klar – aber die können mit dem Stress im komplizierten Einbahnstraßen Geflecht der alten Stadt sicher besser umgehen als wir. Wir finden keinen Parkplatz und lassen das Zebra an der Rodoviraria stehen und gehen zu Fuß wieder hoch. Die Stadt hat tatsächlich ein ganz eigenes Flair und gefällt uns sehr gut – mit ihren über 20 Barockkirchen, den wunderschönen alten Bürgerhäusern und den vielen kleinen Läden und Restaurants ist sie ein kleines Juwel. Auch hier dürften wir zum Glück nicht die große touristische Zeit erwischt haben, Touristen sehen wir nicht viele.

 

 

Wir nehmen uns noch einen weiteren Tag Zeit um Ouro Preto zu erkunden. Wir haben eine Möglichkeit gefunden, uns eine Imperial Topas Mine direkt anzusehen – ca. 30 Kilometer außerhalb besuchen wir ein paar Kumpels, die in Kooperativen eine Mine bearbeiten. Aktuell kann hier nicht gearbeitet werden, da durch die starken Regenfälle der größte Teil überschwemmt ist. Obwohl man hier über Tage arbeitet, ist die Arbeit beschwerlich. Hier wird per Handarbeit in Schlamm und Gestein gesucht. Die Mine existiert seit 30 Jahren – damals, so erzählt man uns hätten hier 1.000 Leute gearbeitet – es scheint, als wäre die Zeit der großen Rentabilität vorbei. Der Minenbesitzer verpachtet seinen Grund an diverse Kooperativen und die geben 10% des Gefundenen ab.

 

 

Außerdem steht der Besuch des Mineralien-Museums auf dem Programm – immerhin befindet sich der Sitz der wichtigsten brasilianischen Geologie Uni hier in der Stadt. Leider, wie in so vielen Museen Brasiliens, darf man nicht bzw. nur mit Handy Kamera fotografieren. Fotoapparate sind nicht zugelassen.

 

Am Abend checken wir nochmals unseren „Keller-Stauraum“. Nichts – alles Trocken. Hm – komisch. Vielleicht war eine der Wasserflaschen undicht? Wir müssen das auf jeden Fall beobachten.

 

 

Am nächsten Tag geht es in die kleine Barockstadt Mariana. Sie ist benannt nach Maria Anna, der Königin von Österreich, die mit dem portugiesischen König Dom Joao VI. verheiratet gewesen ist. Hier drehen wir eine kleine Stadtrunde und besichtigen die beiden wichtigsten Kirchen – wie praktisch – sie stehen direkt nebeneinander, die Igreja do Carmo und die Igreja Sao Francisco de Assis.

 

 

Die in allen Reiseführer angepriesene Goldmine „Mina de Ouro da Passagem“ lassen wir aus. Die stillgelegt Mine ist die älteste Goldmine Brasiliens, aber leider nicht auf ausländische Touristen eingestellt. Der Eintritt ist verhältnismäßig teuer und es gibt hier ausschließlich Führungen auf Portugiesisch – da hier auch viel erklärungsbedürftig ist, verzichten wir. Außerdem finden wir die Verkaufsstrategie an der Kasse mehr als befremdlich, denn man hält uns mehrmals einen abgerissenen Karton unter die Nase, auf dem in Englisch geschrieben steht, was der Eintritt kostet. Unsere mehrmaligen Fragen, ob es denn auch eine Führung auf Englisch gibt, werden mit dem neuerlichen Hochhalten des Pappkartons beantwortet – nach dem Motto: zahlt endlich, oder geht.

 

Zurück auf dem Lagerplatz bei Glaura stellen wir fest, dass der rechte Hinterreifen sehr viel weniger Luft hat, als er haben sollte. Haimo füllt die Luft mit dem Kompressor – morgen sehen wir weiter. Wie immer schlafen Haimo und Gizmo im Sitzen ein, ich versuche noch mein Reisetagebuch fertig zu schreiben und gebe dann auch auf.

 


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