Blumenau – Curitibá – Serra Verde Express

 

Anfahrt Küste

 

Am 12. September verlassen wir Foz do Iguacu und folgen der BR 277 Richtung Küste bzw. Curitibá. Unsere erste Tagesetappe sind 320 km – eine gute Strecke für unser Zebra. Was uns gleich mal in Brasilien auffällt: es ist sauberer – sehr viel sauberer als in allen anderen Ländern bisher. Es wird Müll getrennt und vor allem: es gibt Mülleimer – egal ob im touristischen Gebiet oder nicht. Haben wir in Argentinien oft ewig unseren Müll gesammelt und wussten nicht wohin, hier gibt es überall die Möglichkeit seinen Abfall mit gutem Gewissen los zu werden. Man erklärt uns später, dass das vor allem im europäisch geprägten Süden so wäre – wir finden aber, dass sich das bis in den Pantanal so durchzieht.

 

Außerdem sind die Menschen extrem offen und freundlich, Sprachbarrieren kein Problem – alles wird mit Händen und Füßen ausgeredet mit Engelsgeduld und einem Lächeln auf den Lippen. Die Brasilianer sind es gewohnt, dass die meisten Touristen kein Portugiesisch sprechen. Die Welt der „Machistas“ ist nicht ganz so groß wie in den anderen lateinamerikanischen Ländern – die Mädels sind selbstbewusst und drücken das auch mit der Mode aus. Man sieht hier sehr viele internationale Marken und wir haben das erste Mal seit fast einem Dreiviertel Jahr das Gefühl, dass wir wieder an der internationalen Welt teilhaben. Der Traum schlechthin: Obst und Gemüse sind wunderbar. An jeder Straßenecke, in jedem Supermarkt gibt es qualitativ hochwertige Ware zu kaufen und die Preise sind wesentlich günstiger als in Argentinien oder Chile. Ananas, Papaya, Mango, Riesenavocados, Jaboticaba und so viele mehr. Organen und Zitronen pflückt man mal eben am Straßenrand – was wir auch tun, um unser Wasser zu pimpen. Wir sind im Himmel! Gizmo, der alle Arten von Obst und Gemüse in den letzten Monaten der Reise durch Chile und Argentinien verweigert hat ist wieder ganz gierig auf alles und beginnt schon zu sabbern, sobald ich eine Ananas oder Avocado schäle.

 

Unsere zweite Tagesetappe Richtung Küste ist auch beachtlich – aber genau wie letzte Nacht ist das Lagerplatz-Finden nicht so einfach. Der Süden ist ziemlich dicht besiedelt und abgelegene Nachtlagerplätze mit Freilaufmöglichkeit für Gizmo gar nicht so einfach zu finden.

 

Wir entschließen uns nicht direkt nach Curitibá durchzufahren, sondern zuerst den kleinen Umweg nach Blumenau zu nehmen. Wir durchfahren wunderschöne subtropische Landschaft und Bananenwälder nahe der „Rota das Cachoeiras“. Mitten im kleinen Örtchen Corupá übernachten wir.

 

Am nächsten Tag geht’s dann weiter über Jaraguá do Sul und wunderbaren Ausblicken auf die „Floresta Atlantica“ Richtung Blumenau.

 

 

Blumenau

 

Wie durchfahren den „deutschesten Ort“ Brasiliens: Pomerode.

 

Der Ort wurde von einem Freund Dr. Blumenau´s gegründet und durch die Weidewirtschaft und die immer noch berühmte Porzellanfabrik „Porcelana Schmidt“ in ganz Brasilien bekannt. Die Straßen und Vorgärten sind pipifein und sauber, überall Gartenzwerge und liebevolle Blumenarrangements – allerdings die falschen Fachwerkhäuser etwas befremdlich (noch befremdlicher als die Armee an Gartenzwergen). In Blumenau angekommen bietet sich uns ein ähnliches Bild. Wir suchen den Campingplatz und es dauert fast 2 Runden, ehe wir ihn finden. Ein Wiesengründstück innerhalb eines Firmengeländes, das man erstmal finden muss. Ein alter Mann lebt auf dem Grundstück in einer Wellblechhütte und verpachtet seinen Rasen an Overlander. Das Firmengründstück dürfte auch mal seines gewesen sein, denn dort hat er sich ein eigenes Bad gesichert, das wir mitbenutzen dürfen. Anders als gedacht, aber sehr tranquilo und Gizmo kann auf dem relativ kleinen Flecken Grün relativ frei laufen. Die kleinen Hunde des Besitzers trauen sich nicht herüber. Wir sind die einzigen Gäste und somit haben wir es schön ruhig.

 

Die Runde durch die Stadt entlockt uns immer wieder ein Grinsen. Geschäfte voll mit extrem verkitschten Varianten an Dirndlkleidern und Lederhosen. Klar – für das zweitgrößte Bierfest der Welt hier in Blumenau – dem Oktoberfest 2.0 muss man vorbereitet sein. Die Menschen hier nehmen ihre Tradition sehr ernst, wissen aber nicht, dass das alles hier eigentlich mehr eine Art Karikatur der Tradition darstellt. In den Bars und Geschäften deutsche Wörter in Slogans eingebaut, die keinen Sinn ergeben, Kellner in Plastik-Lederhosen mit Filz-Hosenträgern. Spricht man sie auf deutsch an erntet man Nicht-Verstehen. Eine einzige Dame treffen wir, die der deutschen Sprache mächtig ist. Die Biertradition wird hier auch hochgehalten – in dieser Gegend werden viele Artesanales gebraut – unter anderem werden hier die Marken „Eisenbahn“, „Bierbaum“, „Schornstein“, „Heimat“ und „Bierland“ gebraut.

 

Beim Mittagessen in einem der größten Bierlokale „Thapyoka“ sind wir mehr als verwundert über soviele naturblonde Menschen. Konserviert und unter sich geblieben am anderen Ende der Welt hat man sich offensichtlich über Generationen die helle Haut, die Sommersprossen und die blonden Haare bewahrt – wir sind sprachlos. Bei Heino, Roy Black und Wencke Myhre nimmt man hier gut gelaunt jeden Sonntag am deutschen Mittagsbuffet mit Eisbein und Spätzle teil. Wir sitzen mitten in der Blumenauer Interpretation von deutscher Tradition, die in Wirklichkeit in den 1940er und 1950er Jahren stehen geblieben ist, lediglich die Musik der 70er Jahre ist dazu gekommen. Die wohl meistgesehenen Jahreszahlen an Häusern und Geschäften: „Seit 1945 bzw. Seit 1946“- hm...Zufall?...das wollen wir mal so im Raum stehen lassen...

 

Nach Besichtigung des Biermuseums verlassen wir diesen (für uns sehr skurril anmutenden) Ort Richtung Curitibá.

 

 

Curitibá – Serra Verde Express

 

Der ursprüngliche Plan sieht vor, dass wir direkt neben dem Bahnhof von Serra Verde bzw. der Rodoviraria parken und nach der Zugfahrt – angeblich einer der spektakulärsten weltweit – Curitibá gleich wieder Verlassen. Tja – wie so oft kommt es anders als gedacht: Serra Verde hat seinen Fahrplan geändert und fährt nur mehr am Wochenende – also müssen wir bis Freitag (heute ist Montag) warten. Wir sind wirklich ziemlich enttäuscht, denn Curitiá mag zwar die umweltfreundlichste und sauberste Stadt Brasiliens sein, aber wir wollten uns hier wirklich nicht länger als nötig hier aufhalten.

 

Um uns einen Überblick zu verschaffen, checken wir am nächsten Tag gleich mal beim örtlichen Hop-on-Hop-off ein. Leider ist das Konzept hier nicht ganz so durchdacht – man bekommt lediglich einen Voucher mit 5 Tickets und kann also lediglich 3x aussteigen und die Erklärungen zu den Sehenswürdigkeiten kommen unverständlich über Lautsprecher, die ohnehin kaputt sind.

 

So oder so – Pflicht ist die Besichtigung des Oscar Niemeyer Museums in Form eines Auges. Niemeyer, der häufig als der bedeutendste Architekt des 20. Jahrhunderts genannt wird hat während seiner 105 Lebensjahre mehr als 600 Bauprojekte realisiert, darunter das UN Gebäude in New York, das Museo de Arte Contemporanea in Niterol und sämtliche öffentlichen Gebäude in der Retortenhauptstadt Brasilia. Da nach Besichtigung des Museums nicht mehr viel Zeit bleibt, setzen wir unsere Tour am nächsten Tag fort und schlendern durch das Zentrum Curitibás mit seiner Fußgängerzone, die übrigens die erste Brasiliens war.

 

Am Abend packen wir zusammen – wir haben Gizmo versprochen, dass wir aus der Stadt rausfahren, bis zur Zugfahrt. Wir selbst fühlen uns am Bahnhofsparkplatz auch nicht extrem wohl, die abendliche Gassi-Runde ist nicht schön – merkwürdige Gestalten, vermüllte und (von Menschen) verkotete Bahnübergänge, Polizisten die scheinbar unschuldige Leute verfolgen und mit dem Schlagstock schlagen – wir wollen hier weg.

 

Die Lagerplatzsuche ist hier nicht einfacher geworden, Tipps auf iOverlander gibt es hier keine, die üblichen Tricks wie an ein Wasser zu fahren funktionieren nicht, denn sämtliche Stauseen sind meist umzäunt und abgesperrt, sodass man auch hier keinen Lagerplatz finden kann. An der Embalse Vossoroca fahren wir kurzerhand in den Urwald und stellen uns mitten vor das Tor der Energiegesellschaft. Es ist ruhig, einzig einer der Arbeiter des Energiekonzerts fährt zweimal mit dem Motorrad vorbei – das wars. Das feuchte Klima beschert uns viele Moskitos, aber wir können Gizmo laufen lassen und flüchten dann alle drei ins Zebra. Gewitter, Starkregen und Wind lassen uns alsdann nicht gut schlafen und leider geht es den ganzen nächsten Tag so weiter. Es wird also nichts mit dem versprochenen Spaß-Tag für Gizmo. Wir sitzen alle drei im Zebra. Während Gizmo dann schnarchend zu unseren Füßen liegt diskutieren wir die weitere Route. Wir haben so viele Pläne und Wünsche, aber Brasilien ist so groß wie alle anderen bisher besuchten Länder zusammen. Unsere Aufenthaltsgenehmigung läuft 3 Monate – die zu bewältigenden Strecken sind enorm. Unsere Höchstgeschwindigkeit auf Überlandstraßen beträgt 70km/h. Wir können es drehen und wenden wie wir wollen: Unser Wuschprogramm geht sich nicht aus. Dazu kommt, dass wir mit einer Wasser-Ratte wie Gizmo nicht mehrere Tage den Amazonas auf einem Schubschiff entlang tuckern können auf einem metallenen Gassi-Quadratmeter Auslauf für ihn. Wahrscheinlich würde er uns das irgendwann einmal verzeihen – aber so wollen wir das nicht. Zweiter Faktor die Regenzeit – die logischte Reiseroute ist die regentechnisch schlechteste. Wir sind ratlos und etwas enttäuscht. Tatsache ist, wir werden Wohl oder Übel Bahia, Brasilia und das Amazonas Gebiet streichen müssen und nach Rio gleich mal Richtung Westen und südlichen Pantanal rüber stechen müssen. Wir lassen es uns mal bis Rio offen und werden dann nochmals darüber sprechen.

 

 

Am 21. September schaut die Welt schon wieder etwas besser aus. Kein Regen – der Himmel reißt auf. Zum Glück, heute ist Zugfahren angesagt! Der Wecker läutet um 6.15 und wir beeilen uns, um ja rechtzeitig in der Stadt zu sein.

 

Als wir um 8.00 am Bahnhof des Serra Verde Express ankommen herrscht mehr als reger Trubel. Wir trauen fast unseren Augen nicht – wir schätzen mal, dass hier 1.000 Menschen auf ihre Mitfahrt warten. Damit haben wir nicht gerechnet. Da jeder beim Bezahlen einen fixen Platz bucht und das Personal mit dem Ansturm umgehen kann, wird die Menge an Menschen rasch und gesittet verfrachtet. Wir landen in einem Zugabteil gemeinsam mit einer Argentinischen Reisegruppe, die bei jeder Ansage Klatscht und Johlt – wir fühlen uns wie auf einem Charterflug – hätten wir uns doch nur ein paar Biere mitgenommen! Doch wir haben auch Glück: vor uns sitzen 2 Portugiesische Ehepaare und eine der Damen ist Tochter von Deutschen Einwanderern. Sie spricht perfekt Deutsch und hilft uns mit der Übersetzung. Denn zur „normalen“ Buchung gehört, dass man zwar einen Guide auf Portugiesisch während der Zugfahrt hat, aber keinen, der eine andere Sprache spricht. Erst ab der Ausstiegsstelle in Morretes werden wir auf Englisch betreut.

 

Kurz zur Erklärung dieser Zugfahrt: Die Schmalspurbahn zwischen Curitibá und der Hafenstadt Parangua existiert seit 1885 und war für die damalige Zeit eine technische Meisterleistung. Die Trasse führt durch das Gebirge und hat damals sehr vielen Arbeitern das Leben gekostet. Man fährt über die Orte Pinhais, Piraquara, Porto de Cima, Morretes, Alexandra bis nach Parangua. Das Gefälle beträgt bis zu 3,3% und man überwindet vom Anfang bis zum Ende 950 Höhenmeter. Man durchfährt den Küstenurwald mit 13 Tunneln, 67 Brücken und Viadukten, viele enge Kurven und Schluchten – nicht umsonst wird diese Bahnstrecke als die spektakulärste Brasiliens bezeichnet. Die Strecke endet heutzutage im kleinen Kolonialstädtchen Morretes. Dort steigen wir alle aus und werden zu Stadttour und Mittagessen in Kleinbusse aufgeteilt. Unsere Gruppe fährt zum Mittagessen nach Antonina in ein kleines heimeliges Lokal einer holländischen Einwanderin. Es gibt Barreado – eine Art 12 bis 15 Stunden gekochtes Rindfleisch, das mit Maniok Mehl vermengt wird und dann ein bisschen aussieht wie Babybrei – das ganze ist dann richtig angerührt, wenn es im umgedrehten Teller kleben bleibt. Auch an die Nicht-Fleischesser wird gedacht und wir genießen diesen Ausflug. Den Rückweg treten wir mit den Vans an – die Strecke über die Estrada da Graciosa ist toll. Die Klimaanlage des Busses hat in der Hitze den Geist aufgegeben, so wechseln wir zwischen „Kochen“ und „Zugluft wie im Vogelkäfig“ ab.

 


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