Hundstage

 

Unser heutiger Lagerplatz befindet sich am Weg Richtung Angra dos Reis an einem Picknickplatz am Strand der Locals. Da es zu regnen begonnen hat sind wir allein und es ist ruhig. Gizmo schleckt sich auf sehr merkwürdige Art ständig das Maul und schaut merkwürdig drein. Wir haben ihn bereits untersucht und nichts finden können. Am Abend beim obligatorischen Hunde-Knuddeln fällt mir eine merkwürdige klebrig-nasse Stelle an Gizmo´s Hals auf. Gizmo reagiert bei Berührung – es tut ihm also weh. Und zu guter Letzt: die Flüssigkeit stinkt nach Verwesung. Wir werden nervös. Haimo tippt auf ein ähnliches Fiasko wie damals am Mittelmeer, als Gizmo durch eine Kontaktallergie am ganzen Hals blutig-offen war. Wir werden noch nervöser und überlegen. Hier sind wir ziemlich abgeschieden, heute Nacht können wir nichts mehr ausrichten.

 

Am 28. September 2018 läutet der Wecker sehr früh, denn wir wollen so schnell als möglich an der kleinen Küstenstraße Richtung Angra dos Reis, um einen Tierarzt zu finden. Wir haben alle 3 sehr schlecht geschlafen – Gizmo hat fast die ganze Nacht durchgehechelt vor Stress und Schmerzen und wir lagen solidarisch mit ihm wach. Wir haben zwar hin- und her überlegt, ob wir nicht mit einer „Reinigung auf gut Glück“ beginnen sollten, aber wir hätten zuerst das noch extrem dichte Winterfell entfernen müssen. Womöglich hätten wir die Diagnose erschwert?

 

Die sehr schmale und hügelige Küstenstraße nach Angra dos Reis lässt uns nicht schnell voran kommen. In der örtlichen Touristeninformation bekommen wir 2 Tierarzt Adressen und entscheiden uns für die Klinik – hier dürfte heute OP Tag sein – die Praxis ist zwar besetzt aber die Dame am Empfang erklärt uns mit Händen und Füßen, dass wir heute keinen Termin bekommen würden. Zum Glück ist einer der Tierärzte in der Nähe und versteht unsere Notsituation und bittet uns herein.

 

Gizmos Wunde, nässende Stellen am Hals werden gereinigt, aber leider nicht rasiert. Ein Bluttest ergibt nichts besonderes. Die Theorie der Herren ist, dass Gizmo Parasiten vom Strand abbekommen hat – speziell von den Algen und/oder den hiesigen Straßenhunden. Naja – er hatte etwas Kontakt zu den Hunden am Strand, aber keinen intensiven. Sie meinen außerdem, dass eine allergische Reaktion auf die Mückenbisse vorliegen kann oder er von einer Biene in den Mund gestochen worden ist. Wir bekommen Wasserstoffperoxid zum Spülen, ein Antibiotikum und als Antiallergen ein Kortison – über letzteres müssen wir uns schon sehr wundern, als wir es bemerken. Außerdem bekommt Gizmo eine Depotinjektion vorab. Da wir Gizmo unbedingt 2 Tage Ruhe gönnen sollen vor der Weiterfahrt nach Rio de Janeiro und die Möglichkeiten für Lagerplätze eher schlecht sind, fahren wir wieder retour zum Picknick-Platz am Strand und hoffen, dass er so ruhig bleibt.

 

Der Nachmittag ist ruhig – es regnet – die 3 Großfamilien, die zum Fischen rauskommen sind am Abend wieder weg. Derweil ärgern mich meine hunderten Mückenbisse immer mehr – sie entzünden sich und schmerzen heftig – nichts, was man als übliches Opfer von Moskitos so kennt. Es nervt – nicht nur das: nach wie vor haben wir noch nicht rausgefunden, warum die Batterie ständig Energie verliert und zu guter letzte nervt der Patient, der nicht verstehen kann, warum er im Zebra bleiben muss, wenn sich doch vor der Tür so viel schönes Wasser befindet.

 

Die folgenden zwei Tage nutzen wir zu dem, wozu uns geraten wurde: Ruhe. Gizmo´s Hals wird 2x täglich gereinigt, nachdem wir uns zur Pelzrasur entschlossen haben – so kommen wir besser an die entzündeten Stellen. Ansonsten darf der Patient nur zur Gassi Runde raus. Keine Dreck, kein Meer, kein Wälzen – zu deutsch: kein Spaß – die Folge ist ein lästiger und ständig jammernder Hund. Zumal am zweiten Tag das Wetter schön und warm wird. Normalerweise würden wir uns natürlich über sonniges Wetter freuen, aber nicht nur dass unser Hund dadurch noch lästiger wird, die lokale Bevölkerung traut sich wieder vor die Tür und auch an den Strand.

 

Hier trifft sich heute nun eine Fraktion, um Geburtstag zu feiern – eine Großfamilie mit Freunden – und die andere Fraktion zum Abfeiern – ein paar junge Leute. Da jeder seine eigene Musik auf höchst möglicher Lautstärke hören möchte, stehen nun zwei Autos mit kaputten Boxen und offenen Kofferräumen auf uns gerichtet, um sich im Beschallungs-Battle zu übertrumpfen. Was wir anfangs so mitten dazwischen ganz witzig finden, entwickelt sich zum Alptraum. Ein weiteres Auto fährt zu und stellt sich nun in den Reigen mit seinen kaputten, sich überschlagenden Bassboxen. Wir genießen 3 verschiedene Musik-Playlists mit jeweils 3 verschiedenen dröhnenden Soundsystemen durchgehend von 11.00 vormittags bis 21.00 Uhr Abends. Ganz verstehen wir diesen Volkssport nicht, keiner kann sich unterhalten, die Kinder schreien und quängeln mit dem Lärmpegel (einziger Vorteil, man hört diese nicht). Um 21.00 Uhr bin ich kurz vor dem Nervenzusammenbruch – gerade rechtzeitig verabschieden sich alle endlich und verziehen sich. Die Truppe Jugendlicher nebenan hält uns noch länger wach, hier formieren sich langsam die einzelnen Pärchen, die sich dann in die jeweiligen Autos zurückziehen. Ein Fahrer schafft es um Mitternacht seinen PKW im Schlamm nahe des Wassers zu versenken und testet dann dort so lange seine Musikanlage bis Hilfe kommt.

 

Der nächste Tag beginnt, wie der vorherige aufgehört hat: bescheiden. Um 5.00 Uhr suchen sich 2 Pärchen genau neben uns den Platz aus um vor Arbeit, Schule oder doch-nichts-Tun nochmal schön Druck abzulassen – die 5 Minuten, die sie dabei im Auto verbringen, wäre ja lärmtechnisch nicht das Problem – aber leider die elendig lange Zeit, die sie brauchen um lauthals in Stimmung zu kommen.

 

Uns reichts – strapaziert von Lärm, Schlaflosigkeit und unserem Hund, der ins Wasser jammert und nicht darf, suchen wir das Weite, nachdem wir uns wieder selbst Starthilfe geben mussten, beide Bordbatterien ärgern uns immer noch. Entweder geht die eine oder andere Batterie ein oder wir haben ein Problem mit der Lichtmaschine.

 


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