Rio de Janeiro - Teil 1

 

Am Abend des 1. Oktober 2018 laufen wir Rio de Janeiro ein. Wir möchten hier in der Großstadt, nicht wie viele Overlander, einfach am öffentlichen Parkplatz des Zuckerhutes stehen bleiben oder in der Nähe einer Militärkaserne – es soll auf jeden Fall ein bewachter Parkplatz sein. Sparen bzw. mit dem Geld haushalten ist bei unserer Art zu reisen natürlich notwendig, aber wir wollen in der Großstadt unser Fahrzeug sicher aufgehoben wissen und dazu kommt, dass Gizmo tagsüber einen schattigen Platz zum Schlafen haben soll – ein sicherer Parkplatz muss also drin sein. Wir fahren vorbei an Ipanema, Copacabana und erreichen schließlich Flamengo. Dieser Küstenabschnitt ist künstlich angelegt worden als in Rio der Platz ausging. Es gibt hier auf jeden Fall 2 Parkplätze, da es Zwischensaison ist hoffen wir, zumindest auf einem der beiden einen Platz zu finden. Im Großstadtverkehr ist es schnell Abend geworden – als wir vor den verschlossenen Türen des ersten Parkplatzes stehen ist es 17.30 und bald dunkel. Wir fahren also noch weiter zum nächsten Parkplatz und verhandeln hier unseren Preis für Minimum 5 Tage aus. Man weiß hier, was ein Parkplatz in Rio wert ist und besteht daher auf Vorauszahlung. Was solls, wir gehen darauf ein und sind froh, einen Platz zu haben. Es werden wohl nicht die ruhigsten Tage unserer Reise, aber nach unserem Lagerplatz am Buquebus Parkplatz in Buenos Aires kann uns nicht mehr viel schocken. Hier ist es definitiv ruhiger und grüner und das wichtigste: Wir stehen unter einem großen Baum, der hoffentlich für etwas kühles Klima tagsüber für Gizmo sorgt.

 

Unsere erste Nacht ist relativ ruhig – spannend wird es erst gegen 5.00 Uhr morgens. Der alte Rundhauber ein paar Meter weiter eröffnet das Lärmkonzert und startet den Motor, um die Druckluft für die Bremsen aufzubauen – gleich danach folgen die Schulbusse direkt neben uns, die hier ihren Stammparkplatz haben. Als um 7.30 der Wecker läutet, sind wir gerade wieder eingeschlafen. Nachdem wir gefrühstückt und Gizmo be-serviced haben springen wir um 10.30 in ein Funktaxi und fahren Richtung Tourismus-Büro an der Copacabana. Wir haben viele Fragen und Esther hat auf alle eine Antwort – sie ist eine Perle und beschert uns definitiv unser nettestes Erlebnis in einer Touristeninformation seit wir auf Reisen sind. Hernach sind wir um einiges schlauer: Wir wissen, wo wir die Tickets für Corcovado und Zuckerhut bekommen, wir haben eine Jeep-Tour in den Stadt-Urwald – Parque Nacional da Ticuja – gebucht, wir haben die nötigen Informationen zur Rio-Variante des Hop-on-Hop-off Busses bekommen und zur Bonde nach Santa Teresa – dem kultigen gelben Cable Car. Ebenso hat uns Esther über die aktuelle Sicherheitslage in Rio aufgeklärt und mir versichert, dass es vor 20 Jahren, als ich damals hier war, noch viel viel sicherer war. Aktuell sind wieder die gefürchteten Kindergruppen am Weg, die am Strand los laufen und in Windeseile alles krallen, was sie kriegen können. Also sollten wir an einen der Stadtstrände gehen, müssten wir höllisch aufpassen. Am Abend wird die Methode dann etwas ruppiger und man muss mit Raubüberfällen rechnen. Wir sollten also nachts nur in den sicheren Vierteln unterwegs sein (zum Beispiel Lapa) und ab Einbruch der Dunkelheit würden die Strände von Copacabana und Ipanema auch nicht mehr unbedingt dazu gehören – den Heimweg sollten wir ausschließlich mit dem Taxi antreten. Wir versprechen aufzupassen und ziehen los.

 

Unser erster Punkt auf der Liste: Zur Schwester-Firma von Heli-Sul fahren und sich über einen Hubschrauber Flug erkundigen. Wir waren in Iguacu so begeistert – sowohl vom Service als auch vom Gesehenen – das würden wir sehr gerne hier in Rio wiederholen. Als wir am Heliport ankommen stellt sich schnell heraus, dass es hier nicht so einfach ist. Es ist keine Hochsaison und wir sind die einzigen Touristen, die an einem längeren Rundflug Interesse haben. Wir hinterlassen unsere Nummer und man würde sich verlässlich bei uns melden. Da das Wetter heute super ist, nehmen wir ein Taxi zum „Pao de Azucar“ - wir wollen uns mal einen Überblick von oben verschaffen. Das Ticket ist mittels Automaten schnell gebucht und bezahlt – die Abwicklung funktioniert zügig. Die Seilbahnfahrt ist ist zweigeteilt: man fährt zuerst auf zum Morro da Urca – einer Art Mittelstation. Hier sind die ersten beiden ausrangierten Gondel-Modelle ausgestellt – die zweite ist von meinem Geburtsjahr bis 2008 gefahren – mit der mittlerweile vorsintflutlich wirkenden Variante bin ich wohl damals noch transportiert worden. Hier genießen wir unseren ersten Ausblick auf Rio und gleichzeitig auf den Pao de Azucar. Man schlendert vorbei an einem schönen Restaurant, Souvenirläden und Imbiss-Ständen zum Einstieg für die zweite Auffahrt. Schon in der Gondel ist die Aussicht atemberaubend und deckt sich mit den in meiner Erinnerung konservierten Bildern.

 

Erst einmal oben angelangt atmen wir tief durch und freuen uns über das schöne Wetter. Es herrscht eine überraschend gemütliche, gechillte Atmosphäre – die Touristenschar ist nicht klein, aber jeder hat genug Platz und man empfindet die Gesamtsituation als entspannt. Viele Sitzmöglichkeiten und diverse Bars laden zum Verweilen ein, während man sich vom anstrengenden Fotografieren bei einem Caipirinha erholen kann. Den Rest des Tages inklusive Sundowner verbringen wir hier mit Sonne und Aussicht genießen. Man hat einen unglaublichen Rundblick über Rio: vom Westen her sieht man die Strände von Copacabana und Botafogo, dann der Blick auf den Corcovado mit dem Cristo Redentor (der im Moment nachts pink angestrahlt wird), im Nordwesten „unseren“ Strand Flamengo bzw. Gloria, nördlich den Flughafen Santos Dumont und die Innenstadt. Wer gerne fotografiert hat die Qual der Wal – dann kommt auch noch die „Blue Night“ dazu – man muss wirklich schauen, dass man bei all dem Fotografier-Stress die Caipirinha nicht warm werden lässt. Apropos Stress – den bekommen wir, als die kleinen Äffchen, die in ganz Rio eine Plage sind, Gefallen an unserer Pizza finden – sie stürmen auf unseren Tisch und werden richtig aufdringlich. Jetzt kommt der Teil mit dem Stress: Das gefällt allen anwesenden Mit-Touristen derart, dass sich eine Traube von Menschen bildet, die uns Selfie-Sticks und Kameras ins Gesicht hält, um die Szene festzuhalten. Man sitzt mit uns auf unseren Sessel, stützt die Handies und auf unseren Köpfen ab und nicht zuletzt hält man uns die Kameras ins Gesicht. Wir wollen doch bitte nur essen – kann es sowas geben?! Irgendwann tritt bei mir der Druck-Kochtopf-Effekt ein: mir sprengt es den Deckel weg: ich springe auf – Frage in die Runde ob noch alles noch passt und was das soll – dann packen wir unsere Sachen zusammen und bringen uns einen Tisch weiter in Sicherheit – die Affen tun es uns nach und verschwinden ebenso. Zurück bleibt die Meute, die dumm schaut. Auf den Stress hin brauchen wir gleich mal den nächsten Caipirinha. Den Rest des frühen Abends können wir wieder genießen, der Mob ist mit Selfies beschäftigt und wir sind sicher.

 

Zur späten Stunden kommen wir mit Daniel ins Gespräch – er ist aus Santiago de Chile und reist gerade durch Südamerika, danach möchte er Kinesiologie studieren. Wir verbringen die restliche Zeit bis zur letzten Talfahrt gemeinsam und verabschieden uns dann herzlich voneinander.

 

 

Zurück in Flamengo beim Zebra freut sich Gizmo – wir drehen eine größere Runde und nehmen uns Zeit für ihn – danach heißt es ab ins Bett – morgen läutet der Wecker bereits um 6.00 für die Urwald-Tour.

 

Am 3. Oktober holt uns zuerst die obligatorische Kombo Rundhauber und Schulbusse um 5.00 aus dem Bett und danach, als wir wieder beim Einschlafen sind unser eigener Wecker um 6.00 – nein, die 4 Stunden Schlaf waren nicht zuviel heute.

 

Um 8.00 stehen wir geschniegelt und gestriegelt vor einem Hotel in Flamengo, und warten auf den Jeep, mit dem wir die Tour machen. Wir sind die ersten im Reigen, die abgeholt werden und können uns schon mal mit Milene, unserer Führerin unterhalten. Unter anderem kommt unser Gespräch auf „Favela-Tours. Man hört ja viel – auch wir haben von so manchem Projekt gelesen bzw. auch mit Esther von der Tourismus Info darüber gesprochen. Natürlich geht „Armuts-Tourismus“ gar nicht – wir können die bisherigen Informationen einfach nicht einordnen. Milene hat dazu als echte „Carioca“ (Einheimische aus Rio) eine andere Ansicht: für sie gibt es den allerschönsten Ausblick über Rio einfach von der größten Favela. Sie selbst bietet seit geraumer Zeit Touren durch diese Favela an. Tagsüber wäre das überhaupt kein Problem. Ihr ginge es darum, dass man Brücken schlagt und Berührungsängste abbaut, in den Favelas leben neben den Drogenbossen ja auch ganz normale Menschen, die Opfer des Systems sind – diese werden in Form von Restaurants und Ausflügen zu Kunstprojekten besucht. Die Bewohner nehmen ihre Besuche sehr gut an und man freut sich darüber. Ein Paar, das auch heute mit dabei ist hat mit Milene bereits eine Tour unternommen. Hm – es hört sich eigentlich alles ganz gut und wir finden Milene´s Einstellung ok – und sagen eine Tour zu. Wir würden in Verbindung bleiben.

 

Mittlerweile haben wir alle Mitreisenden eingesammelt und sind am Weg Richtung Parque Nacional Tijuca – dem größten innerstädtischen Regenwald bzw. dem drittgrößten Stadtpark der Welt. Nach den berühmten Strandvierteln fährt man in der Serra da Carioca zu – hier findet man das komplette Kontrastprogramm zum bunten, menschenvollen Rio: Ruhe, wenig Leute – hauptsächlich Radfahrer und Läufer und viel üppige Natur. Dabei wurde der Weg für dieses Areal erst 1850 geebnet, erzählt uns Milene. Zu der Zeit befanden sich hier noch viele Kaffeeplantagen. Die Renaturierung hat funktioniert und nun kann man sich an den vielen kleinen Wasserfällen, den Naturbädern, Wanderwegen und der artenreichen Tierwelt erfreuen und entspannen. Zum Drüberstreuen gibt es auch noch den dritten tollen Aussichtspunkt nach Pao de Azucar und Cristo Redentor für uns: die Vista Chinesa – deswegen speziell, da man nur von hier alle großen Sehenswürdigkeiten von einem Punkt bestaunen kann. Der chinesische Turm soll der ersten Siedlern China´s gedenken, die hier als Teepflanzer gearbeitet haben.

 

Wir alle freuen uns über den Luftzug im offenen, umgebauten Chevrolet – es ist sehr heiß in Rio – untypisch für die Jahreszeit hat es anstatt der üblichen 25 Grad hitzige 38.

 

 

Am Rückweg lassen wir uns gemeinsam mit Khalit beim Heliport absetzten, um unser Glück zu dritt zu probieren – die Information war ja, dass wir mindestens zu dritt sein müssten, um den Rundflug zu machen. Leider weiß heute niemand mehr was davon und man erklärt uns, dass das vom Fluggerät abhängt. Heute wäre der größere Helicopter da, da wären es mindestens 4 Personen. Ja eh – aber wie sinnvoll ist das denn, wenn man ohnehin Probleme hat, genug Leute für einen Rundflug zusammen zu bringen? Man erklärt uns, dass wir das falsch verstanden haben und lässt uns einfach stehen und spielt weiter mit dem Handy. Khalit wirft kurz die Idee in den Raum, die vierte Person quasi durch 3 zu teilen, aber das ist uns dann doch allen zu teuer, vor allem bei der Art und Weise, wie man uns hier begegnet. Wenn man schon Interessenten hat, die zweimal herkommen, dann sollte man zumindest so tun, als ob man an einer Lösung interessiert wäre. Nein, wir gehen – dann soll es nicht sein.

 

Mit Uber fahren wir zurück an die Copacabana (unser erstes Uber Erlebnis als „Provinzler“ - coole Sache“), um uns gemeinsam das „Forte de Copacabana“ anzusehen.

 

Wenn man aus einem mitteleuropäischen Land mit viel Geschichte kommt, dann wirft einen das Forte an sich natürlich nicht unbedingt aus den Latschen, aber es bietet einen etwas anderen, interessanten Blick auf die Copacabana. Dazu kommt, dass das Gelände nach wie vor militärisch genutzt wird und somit Gastronomie, Museum, Militärs und umherirrende Touristen alle unter einem Dach ein besonderes Flair bieten. Danach stärken wir uns noch bei einem kleinen Mittagsimbiss und tun das, was man hier so tut: wir verbringen unsere Zeit mit „Leute-Schauen“. Genau wie am Zuckerhut hätten wir auch hier mit Touristen-Abzocke gerechnet in der Gastronomie, aber sie wieder nicht erlebt – an touristischen Attraktionen zahlt man im Vergleich in Salzburg, Wien, Paris, Rom, etc. wesentlich unverschämtere Preise.

 

 

Heute geht’s früher retour Richtung Gizmo und Zebra. Als wir dort endlich ankommen, haben wir unser erstes schlechtes Erlebnis mit einem Psycho Taxifahrer auf unserer Reise hinter uns gebracht. Wir trinken erstmal ein nicht mehr gut temperiertes Bier, der Bordstrom ist mal wieder in die Knie gegangen. Unser Kühlschrank schafft die Affenhitze nicht mehr ohne Aufladen während der Fahrt, außerdem stehen wir weitgehend unter den großen Bäumen, damit es Gizmo tagsüber erträglich hat. Nach sämtlichen Tests ist sich Haimo nun sicher, dass die Autobatterie am eingehen ist. Während der Fahrt lädt sie nicht mehr und die Batterie für die Stromversorgung hinten lädt daher nach vorne und nicht sich. Dieser Teufelskreislauf macht uns schon länger Probleme und hier gibt die Hitze ihres dazu, sodass die wenige Sonne, die auf die Solarpanele trifft nur einen Teil des benötigten Stroms lädt. Wir müssen das Zebra daher täglich anstarten und mit dem Motor laden, aber da das hier alle alte Busse und LKWs am Parkplatz tun, fallen wir nicht weiter auf.

 


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