La Paz - Yungas

 

Am nächsten Morgen ist der Himmel trüb und es ist ungewöhnlich warm. Der Sturm der letzten Nacht hat rundherum Sand und Staub aufgewühlt. Außerdem dürfte Wasserknappheit herrschen und wir können nach der Lagunenroute das Zebra leider nicht waschen lassen – alle Lavaderos haben geschlossen. Der nette Junge auf der Tankstelle lässt uns noch einen Teil des Tanks auffüllen, ehe seine Mama drauf kommt und uns sprichwörtlich den Hahn abdreht. Also kommen wir schneller raus aus Uyuni als gedacht und fahren los Richtung Oruro. Wir kommen gut voran – die Straße ist erstaunlicherweise gut in Schuss und so legen wir fast 300 km zurück. Die Fenster bleiben heute zu – Sandstürme fegen über uns hinweg – da hatten wir mit dem Wetter der letzten Wochen tatsächlich Glück am Salar und auf der Lagunenroute.

 

In Oruro, einer Stadt der wenig Charme und Sicherheit nachgesagt wird, müssen wir nun auch den Aufenthalt des Zebras verlängern. Wie üblich bedienen wir uns in dem Fall der Overlander App Nummer 1 und stellen leider diesmal fest: Es scheint sich einiges geändert zu haben. In der Folge dauert unser Odyssee fast einen kompletten Tag im Verkehrschaos von Oruro ehe wir unser Fahrzeug für weitere 60 Tage legitimieren können. Zum einen ist das an all den Orten, an denen das früher möglich war, nicht mehr der Fall und zum anderen scheinen die Beamte, die wir an diesen Orten antreffen, keinen blassen Schimmer davon haben, dass ihre Behörde – der Zoll Boliviens – im Norden der Stadt ein neues, riesiges und feudales Gebäude hingestellt hat. Als wir dort endlich ankommen, ist es später Freitag Nachmittag. Unser Import-Dokument für das Zebra läuft heute aus, wenn sie uns jetzt wegschicken, dann zahlen wir Strafe.

 

Als wir endlich die Dame finden, die uns helfen könnte erklärt sie uns, dass wir vorher einen schriftlichen Antrag mit einer Begründung für die Verlängerung beibringen müssen. Wir tun das, was wir am besten können, uns dumm stellen und wenig verstehen – letzteres trifft leider auch zu – denn bei ihren Ausführungen, wie der Antrag auszusehen hat, steigen wir gerne und schnell aus. Zum Glück wird der Dame relativ bald klar, dass sie heute schneller nach Hause kommt, wenn sie den Antrag für uns schreibt. Danach verschwindet sie mit unseren Original Fahrzeugpapieren und kehrt mit einem Kollegen zurück, der die Motornummer kontrollieren möchte und – wie die meisten aus Neugier – das Zebra innen besichtigen möchte. An dieser Stelle kommen wieder die 36 kg Labrador ins Spiel, die sich – im wahrsten Sinne – gerne auf jegliche Abwechslung werfen. Wie üblich springen die „Opfer“ 2 Meter aus dem Stand rückwärts und das Innere des Autos ist nicht mehr wirklich interessant – man begnügt sich mit einem flüchtigen Blick vorbei an unserem vierbeinigen Stage-Diver. Nach Erhalt unseres Papiers verschwinden wir schleunigst aus der Stadt mit dem mühsamen Verkehrschaos und hoffen, es heute noch nach La Paz zu schaffen.

 

 

La Paz

 

Um 18.30 kommen wir im Hotel Oberland an – ein Platz, an dem sich wohl die meisten Overlander treffen, die die Millionen Stadt ansteuern. Ehemals ein Hotel in Schweizer Hand, ist es nun von reichen Bolivianern und deren britischen Schwiegersohn übernommen worden. Wir sind die einzigen Gäste, der Overlander Bereich ist ein eingezäunter Parkplatz mit Nasszellen. Der Pool des Hotels darf mitbenutzt werden und der Spa gegen Aufpreis. Wir sind happy – es geht langsam gegen Weihnachten, da wollen wir uns mal was gönnen. Heute feiern wir unseren 200. Lagerplatz – da fangen wir gleich mal mit einem schönen Abendessen im Restaurant an. Reservieren müssen wir nicht, Zeit können wir uns auch lassen – so sagt man an der Rezeption – perfekt. Nach der Vorspeise stellt sich dann der britische Schwiegersohn als Hotelmanager vor. Ach wie nett, denken wir uns, zumindest so lange bis er uns kurzerhand erklärt, dass heute früher geschlossen wird, weil die armen Mitarbeiter zu Mittag soviel arbeiten haben müssen. Wir hätten aber noch massig Zeit – ein Blick auf die Uhr zeigt uns, dass wir für die Hauptspeise und den Rest unserer Flasche Wein gerade noch eine halbe Stunde haben. Wir sind sprachlos – und oft passiert das nicht. Nun verstehen auch wir die negativen Einträge auf iOverlander – alles klar. Soviel zum Thema „wir lassen es uns gutgehen hier“.

 

 

Am 17. Dezember 2018 machen wir uns gemeinsam mit unserem deutschen Reiseführer Gert auf den Weg, um La Paz zu erkunden. Auch er ist schon fast eine Institution unter den Overlandern, wer im Hotel Oberland bleibt, macht im Normalfall eine Tour mit Gert. Leider haben wir heute nicht das beste Wetter für eine Stadttour ausgesucht. Wir treffen uns um 9.00 Uhr und beschließen, trotz leichtem Regen, mal zu beginnen. In die Stadt kommen wir mittels des öffentlichen Verkehrssystems – den berühmten Telefericos – ein Seilbahnnetz das hoch über der Großstadt schwebt. Die Idee hatte es schon lange gegeben, die Verwirklichung konnte Evo Morales für sich verbuchen – er hat aus dem Projekt ein staatliches gemacht und die Finanzierung mit den reichen Erdgasvorkommen des Landes ohne Auslandskredite gestemmt. Die erste der Seilbahnen der österreichischen Firma Doppelmayr wurde 2015 eröffnet und seither wurde der Ausbau stetig vorangetrieben. Das Projekt war nötig, denn der Wildwuchs an Minibussen ohne System und ohne Haltestellen hat die Stadt derartig Lahm gelegt, dass kein Durchkommen mehr ist.

 

Ein komisches Gefühl, wenn man als Österreicher, der alpines Gelände gewohnt ist und normalerweis im Schnee, mit Schi bewaffnet Richtung Gondel unterwegs ist, in der Großstadt in eine Gondel steigt. Irgendwie fühlen wir uns heimisch und irgendwie nicht. Man kann zweifellos sagen, dass La Paz im Detail keine schöne Stadt ist – aber von oben, wie sie so in den Hügel liegt – definitiv faszinierend.

 

Da das Wetter schlecht ist, fahren wir einmal mit ein paar der Teleferico-Linien, besuchen einen Aussichtspunkt, spazieren durch die Stadt und lauschen Gert´s Erklärungen. Aus der Kolonialzeit ist nur eine kleine Straße über geblieben und als es zu heftig zu regnen beginnt, flüchten wir in eines der Lokale hier. Unsere Zwangspause dauert länger aber es wird nicht langweilig, da Gert viel über seine Wahlheimat zu berichten weiß. Auch von ihm hören wir einiges beunruhigendes über dieses Land. Nach 3 Stunden ist der Schüttregen vorbei und wir trauen uns wieder auf die Straße. Um die Ecke hat Cholita Rosario einen Laden, in dem sie die typische Kleidung der Indigenen verkauft bzw. sie Touristen näherbringt, in dem man einmal in das Original Outfit einer Cholita schlüpfen darf. Kla – mach ich! Nachdem sie mir zig Schichten an Röcken und Unterröcken übergezogen hat wiege ich ca. 6 kg mehr und optisch auf jeden Fall 10 kg. Ich wundere mich – das kann doch nicht gemütlich sein – ganz zu schweigen vom Nebeneffekt, dass man seine Silhouette enorm und für meinen Geschmack unvorteilhaft verbreitert. Rosario erklärt mir, dass das aus der Kolonialzeit stammt – die indigenen Frauen haben die Reifröcke der Spanierinnen imitiert und mit den vielen Rockschichten ein ähnliches Ergebnis erzielen wollen. Wir machen ein paar Fotos, plaudern mit der sehr weltoffenen Rosario über das Leben der Cholitas bevor Evo an die Macht kam, kaufen ein paar Souvenirs und marschieren weiter.

 

Das Wetter wird besser und wir nehmen die „Lila Bahn“ zu „El Alto“. Am Aussichtspunkt haben wir Glück – das regnerische Wetter und die Sonne bescheren uns einen Regenbogen über La Paz – ehe wir weiter zum Hexenmarkt gehen. Hier sehen wir sehr viele befremdliche Dinge, von getrockneten Lama Föten bis Knochenteile findet man alles. Wir kaufen uns ein paar Talismane zum Schutz unseres Zebras – wir wollen ja die Leute im Shop nicht verärgern, weil wir „nur“ schauen. Weiter geht’s vorbei an den Hütten der Shamanen – Männer wie Frauen bieten hier ihre Dienste an. Durchwegs finstere Gestalten, an denen man da vorbeigeht – wir sind uns einig – von niemanden unter ihnen hätten wir gerne etwas über unsere Zukunft erfahren wollen.

 

Den Tag runden wir bei einem gemeinsamen Bier ab und nehmen wieder im strömenden Regen ein Taxi retour – das – wie soll es in Bolivien auch anders sein – das doppelte kostet, weil es regnet. Entzückend!

 

 

Die folgenden Tage verbringen wir mit der Arbeit am Brasilienbericht für die Website, Zebra-Großputz nach dem Salar de Uyuni und der Lagunenroute, Lavanderia-Besuch und: dem Fahren der berühmten Yungas Todesstraße.

 

Die Yungas Todesstraße

 

Wir brauchen dafür einen Tag inklusive Anfahrt über die neue, asphaltierte Yungasstraße (die ebenfalls wunderschöne Aussichten bietet) und der Rush-Hour durch La Paz. Was den Kick, den sich so mancher erwartet, betrifft – der bleibt wohl heutzutage aus. Sie ist zur Touristenattraktion geworden und wird hauptsächlich von den Downhill-Radfahrern unsicher gemacht. Kleinbusse bringen die Touristen nach oben und von da werden sie dann in Scharen losgelassen. Nicht ganz ungefährlich, denn die meisten reagieren bei einem entgegen kommenden Fahrzeug von unten total falsch, dabei gilt hier nach wie vor ganz klar die Linksregel – also der Bergauffahrende fährt links innen und der von oben kommende wechselt auf die Talseite. Ab 15.30/16.00 gehört die Straße dann aber uns allein – Overlander treffen wir keine – ganz wenig Einheimische nutzen die Straße. Das Naturschauspiel ist toll, über die 1000 Höhenmeter, die man durchquert kommt man durch sämtliche Klima- und Vegetationszonen – die Landschaft ist wirklich beeindruckend und wir sind begeistert. Die Straße selbst ist nur auf manchen Abschnitten so schmal, wie sie gerne dramatisch inszeniert wird und wer alpines Terrain gewohnt ist, hat wohl schon öfter enge Bergstraßen gesehen bzw. gefahren. Auch wir posieren an den obligatorischen Stellen (die muss man erst finden,-)) und fahren dann gegen Abend wieder retour nach La Paz.

 

 

Von 21. bis 24. Dezember geht es weiter mit dem Arbeiten am aktuellen Bericht für die Website, Tierarztbesuchen, um Gizmo´s Papiere für Peru zu besorgen und ein bisschen chillen. Der heilige Abend ist relativ unspektakulär – wir besuchen noch einmal das Restaurant im Hotel und müssen zugeben, dass wir sowohl Familie und Freunde vermissen, als auch die guten alten Weihnachtsbräuche aus der Heimat.

 


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